Newsletter Mai 2021 [3]: Leerstand trotz Corona? Die Ursachen

[Schreberrebellen-Newsletter Mai 2021, Thema 3]

Corona, aber keine freien Gärten - Warum so viele Parzellen leerstehen

Unsere Leserin/Hörerin Sandra hat da eine Vermutung, die sie uns per E-Mail geschickt hat:

Liebe Schreberrebellen,

seit längerem fallen mir in meinem eigenen KGV, aber auch in den vielen umliegenden Kleingärten, diverse ungenutzte, verwahrloste, zugewucherte und brachliegende Parzellen auf. In den den letzten Jahren und gerade seit Corona ist die Nachfrage nach Kleingärten so immens gestiegen, jedoch heißt es überall, es gäbe keine freien Parzellen mehr oder die Wartelisten seien extrem lang, sodass es fast schon unmöglich ist für Interessenten an einen Kleingarten zu kommen. Gleichzeitig nun aber diese wirklich vielen o.g. ungenutzten Gärten.

Woran liegt es, dass es hier nicht möglich zu sein scheint, sich mit den aktuellen Pächtern auf ein sauberes Ausscheiden zu einigen um neuen motivierten Kleingärtnern den Zugang zu ermöglichen? Kann es u.a. daran liegen, dass gerade hier in Hamburg besonders der Obergartenfreund LGH ganz explizit wieder in seiner letzten Verbandszeitschrift massiv die Ängste der „Altpächter“ schürt, ob der diversen Auflagen, die bei Pächterwechsel auf diese kosten- und aufwandsmäßig zukämen? Kann man diese Thematik nicht mal etwas konkreter beleuchten und hinterfragen? Wenn Kleingärten für alle Menschen zugänglich sein sollen, dann müssen sie aber auch für scheidende Pächter verträglich freizugeben sein. Auch das ist für mich Solidarität wie sie immer so schön beschworen wird.

Erstrebenswert wäre ohnehin eine deutliche Modernisierung des ganzen Konstrukts „Kleingarten“, die Erschaffung einer Kleingartenkultur 2.0, welche einer modernen und weltoffenen Metropole, wie sich Hamburg so gerne vermarktet, auch gerecht wird. Es muss einfach ein frischer Wind in den KGVs Einzug halten, wo Menschen auch Lust am Vereinsleben und an der Übernahme von Vorstandsaufgaben entwickeln können, ohne diese immerwährende Angst vor dem nächsten Denunzianten und dem permanent erhobenen Zeigefinger des LGH.

Aber das wird mit dem Landesbund der GartenFREUNDE wohl in diesem Leben nicht mehr passieren…

Es grüßt Euch ganz herzlich

Sandra

Zunächst einmal einen herzlichen Dank an Sandra für diese interessante Zuschrift.

Die angesprochene Problematik des Pächterwechsels können wir bestätigen. Zu diesem Thema erhalten wir wirklich regelmäßig Zuschriften. Es handelt sich um ein strukturelles Problem, das ganz offensichtlich "von oben" ausgelöst wird.

Am Ende ist damit niemandem geholfen. Der Pächter, der seine Parzelle aufgeben will, nimmt oft lieber das kleinere Übel inkauf und behält die Parzelle noch viele Jahre. so umgeht er das "Problem", dass er bei Kündigung ausende Euro für Rückbau ausgeben soll - die er vielleicht gar nicht hat. Neue (vielleicht auch jüngere) Pächter würden oft gern einen Garten übernehmen, in dem es viel zu tun gibt. Die würden sog. "Bauverstöße" teilweise klaglos übernehmen und sich dazu verpflichten, sich darum zu kümmern, einfach weil damit ihr Traum vom Kleingarten wahr würde.

Liebe Vorstände, ihr sollt es nicht auf die Neupächter abwälzen, aber sucht bitte das Gespräch mit Alt- und möglichem Neupächter, um eine Lösung zu finden, die für alle drei Parteien passt.

Hier muss auch noch auf den Bestandsschutz hingewiesen werden: Fast alles, was vor 1983 errichtet worden ist, genießt Bestandsschutz und muss gar nicht zurückgebaut werden, auch wenn gewisse Funktionäre das immer wieder behaupten.

Apropos Abriss: Es ist so traurig, was in manchen Vereinen passiert. Da werden sehr gut erhaltene und gepflegte ehem. Behelfsheime abgerissen, die noch 50 oder mehr Jahre als Sommerlaube hätten genutzt werden können. Was für ein Wertverlust. Dass der neue Vorstand die alten Häuser bei Pächterwechsel abreißen will, ist übrigens auch ein Grund, warum viele alte Pächter, die eigentlich aufhören würden, ihren Garten behalten: sie wollen nicht, dass ihr kleines Häuschen einfach abgerissen wird, mit dem sie viele schöne Erinnerungen verbinden.

Und es gibt noch ein Problem, nämlich die Nachverdichtung. Es gibt Vereine, die haben bis zu 50 leerstehende Parzellen, die der Vorstand mit voller Absicht freigemacht hat. Alle Bäume gerodet, alle Häuschen abgerissen, schwarze Erde. Warum? Weil es welche gibt, die scharf sind auf Nachverdichtung. Mehr Parzellen bedeutet mehr Pächter, mehr Mitglieder und damit mehr Einnahmen für den Verein. Außerdem wird für jede Teilung eine Aufwandsentschädigung von einigen Tausend Euro gezahlt. Da gibt es also einiges abzugreifen. Auch das ist ein Grund für Leerstand.

Wir lassen nichts auf die Kleingartenvorstände kommen, aber es sind einige dabei, die arbeiten wirklich gegen die Kleingärtner, die beteiligen sich an der Vernichtung der Kleingartenflächen. Denkt bitte daran: Jede geteilte Parzelle sorgt dafür, dass die Stadt an anderer Stelle eine große Parzelle ersatzlos planieren und bebauen kann.

Wir danken Sandra, dass sie auf das Problem der Verwahrlosung aufgrund struktureller Schwierigkeiten beim Pächterwechsel hingewiesen hat.

Weiterlesen? Hier geht es weiter mit dem Thema "Kleingartensterben in Hamburg und Sanierungskündigungen".


Kommentare.
Seiten:
1
Undine
+1

Danke für diesen Beitrag.
Bei uns im Verein gibt es nur vereinzelt verwahrloste, offensichtlich nicht genutzte Parzellen.
Nach meiner Einschätzung ist es eher der Vorstand, dem das egal ist und der nichts unternimmt um zu klären, warum die Pächter ihren Garten nicht nutzen.
Warum sollen die sich die Arbeit machen???
Solange der Jahresbeitrag gezahlt wird, ist aus deren Sicht alles ok.
Was meint Sandra mit Denunzianten und erhobenem Zeigefinger des LGH? Die interessieren sich doch nicht dafür, was in den Vereinen passiert, oder?
Gut läuft bei uns, daß neue Pächter beim Beseitigen der Bauverstöße helfen. Wir arbeiten an weiteren Ideen, es den aufgehenden Pächtern einfacher zu machen.
Ich bin als Wertermittlerin an weiterem Austausch hierzu interessiert.


Veröffentlicht am 27.07.2021 09:12:00
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